Samstag, 20. September 2014

Jelly-Roll Morton - Freakish

Hallo Freunde,

"freakish", das kann man wohl übersetzen mit "grillenhaft" oder "versponnen". Ich liebe diese Komposition von Jelly Roll Morton. Es hat sie zweimal als Piano-Solo eingespielt: am 8. Juli 1929 und im Frühsommer 1938. Der Titel ist treffend: Jelly präsentiert als erstes Thema eine sich in Halbtonschritten abwärts bewegende, rhythmisch variierende Nonenfolge - für ihn eher untypisch. Auch der zweite Teil bedient sich chromatischer Halbtonschritte. Diesmal aber sind es Septakkorde, die nach unten führen. Sie sind ebenfalls rhythmisch stark akzentuiert. Während allerdings der erste Teil, der übrigens ungewöhnliche 22 Takte zählt, durch einen Wechsel zwischen rhythmischer Pointierung und für Jelly typischem Stomp-Rhythmus gekennzeichnet ist, wird im zweiten Thema die metrische Verschiebung mit einiger Konsequenz durchgehalten. Dies verleiht dem Stück einen impressionistischen Charakter. Der dritte Teil schließlich ist ein swingendes, luftig-leichtes Trio mit vielen Achtel-Triolen, das im klassischen Two-Beat daher kommt, keine harmonischen Besonderheiten aufweist und sozu den vorausgehenden Themen in einem stimmungsvollen Kontrast steht. Die Verbindung zur für Jelly ungewöhnlichen Chromatik wird durch ein Interludium - diesmal mit aufsteigenden Nonen -  und das Nachspiel hergestellt, das aus der absteigenden Sequenz des ersten Teils besteht.
Die ganze Atmosphäre des Stücks, ich beziehe mich hier auf die Einspielung von 1929, erweckt bei mir den Eindruck, dass Jelly sich hier einmal aus den Sorgen und Nöten der Musikerexistenz in eine andere Welt "hinausgespielt" hat. Die vielen und weiten Touren, die nervenaufreibenden Verhandlungen mit Agenten, die Probleme, ein großes Orchester zusammenzuhalten: das alles dürfte ihm zugesetzt haben. Und 1929 begann sein Stern zudem zu sinken. Mich aber nimmt Jelly bei "Freakish" jedesmal mit auf die Reise hinaus aus der grauen Realität. Mehr zu dem Stück in meinem nächsten Beitrag.......

www.ok-jazzband.de - CD "Tribute To Jelly Roll Morton"

Soviel für heute.
Herzlich Euer
Heribert von Stomp

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