Donnerstag, 27. Juli 2017

Jelly and the Duke, Artie and Woody

Hallo Freunde,

Musiker sind sich nicht immer in Freundschaft verbunden. Das ist menschlich und geht so durch die Epochen und durch die Stile. Dieses (Miss-)Verhältnis drückt sich oft nicht nur im persönlichen Umgang miteinander sondern auch in abschätzigen Urteilen aus. Solche Wertungen finden mitunter große Verbreitung, etwa wenn ein berühmter Musiker sich in seinen Erinnerungen entsprechend äußert. Ein Beispiel hatte ich in meinem Beitrag vom 18. April 2015 dargestellt: Louis Armstrong bezeichnete in seinen Erinnerungen an New Orleans den Trompeter Buddy Bolden als "grob und ungeschlacht". Ob das wirklich zutrifft, können wir nicht beurteilen. Von Bolden sind keine Plattenaufnahmen überliefert. Vielleicht handelt es sich um eine ganz subjektive Sichtweise. Aus dem Mund der Jazz-Legende Louis Armstrong aber wirkt das Verdikt doch wie ein musikalisches Todesurteil, gegen das sich der damals schon lange verstorbene Buddy Bolden nicht mehr zur Wehr setzen konnte.
Jelly Roll Morton ist in seinen Erinnerungen zurückhaltender. Morton bezeichnet Buddy schlicht als "den gewaltigsten aller Trompeter und den absoluten Liebling aller Stammkunden des Gartenquartiers" in New Orleans. "Einen gewaltigeren Trompeter hat es seit dem Erzengel Gabriel nicht gegeben. Es kam vor, dass wir an irgendeiner Ecke herumlümmelten und nicht wußten, daß draußen im Lincoln Park Tanz war. Dann hörten wir Buddys Kornett und zogen los. War einmal wenig Publikum im Lincoln Park, so richtete Buddy sein Horn gegen das Stadtzentrum und blies seinen Blues, um, wie er zu sagen pflegte, ´seine Kinder heimzurufen´. Dann wußte die ganze Stadt, daß Buddy im Park spielte, zehn oder zwölf Meilen vom Zentrum entfernt". (Zit. n. Jelly Roll Morton/Alan Lomax, Doctor Jazz, Sammlung Luchterhand 1992, S. 65f.). Dies sagt nichts über die künstlerische Qualität von Buddy`s Trompetenspiel aus, aber spiegelt dessen Stellung in der frühen Jazzszene von New Orleans wider. Einmal die Sicht des Trumpet-Kings Louis, einmal die Sicht des Publikums, wiedergegeben in der Erinnerung des Pianisten Jelly Roll Morton: es kommt eben immer auf die Perspektive an.
Bleiben wir bei Jelly. Ihn verband eine Feindschaft mit dem Pianisten, Komponisten und Bandleader Duke Ellington. Der Duke erntete seinen ersten frühen Ruhm mit dem Jungle-Style seines Orchesters. Jelly hatte 1927 selbst einen Titel in dieser Richtung eingespielt, seine Komposition "Jungle Blues". Morton warf Ellington vor, den Jungle-Style bei ihm gestohlen zu haben. Ellington revanchierte sich mit abfälligen Bemerkungen, etwa dieser Art: "Jelly Roll Morton played piano like one of those high School teachers in Washington". (Zit. n. Howard Reich/William Gaines, Jelly`s Blues, Cambridge (USA) 2003, S. 231). Als Jelly am 16. Juli 1941 in Los Angeles beigesetzt wurde, fehlte Ellington unter den Trauergästen. Dies wurde von Zeitgenossen aufmerksam registriert und als bewusstes Zeichen gewertet, weil der Duke ganz in der Nähe, im Mayan Theatre in Los Angeles, mit seiner Band gastierte. Das war dann wohl mehr als eine lebenslange Feindschaft.
Und noch ein drittes Beispiel für ein abschätziges Urteil von Musikerkollege zu Musikerkollege. Diesmal geht es um Klarinettisten. Artie Shaw nahm kein Blatt vor den Mund in der Bewertung von Woody Herman. "Woody had a good band...I don`t know how he did it; he played badly". Lediglich seinen Kollegen Benny Goodman erkannte Shaw als ebenbürtig an. Aber: ""Woody is not our league". (Zit. n. Tom Nolan, Three Chords for Beauty`s Sake. The Life of Artie Shaw, New York, London 2010, S. 190 u. S. 298).
Soll man die Musiker dafür kritisieren, dass sie so unverblümt, ja schonungslos über Kollegen urteilen? Was bleibt, ist ja nicht die gegenseitige Geringschätzung, sondern die Musik (außer im Fall von Buddy Bolden). Armstrong, Morton, Ellington, Shaw, Herman: sie sind aus der Jazzgeschichte nicht wegzudenken. Die Eifersüchteleien und Streitereien werden mit zunehmendem Abstand dagegen immer mehr zu Marginalien, zu - um im Bild zu bleiben - Randnoten..........

Soviel für heute.
Herzlich Euer
Heribert von Stomp