Montag, 20. November 2017

FAZ-Clarinet

Hallo Freunde,

mehr zufällig fiel mir dieser Tage eine alte Notenausgabe in die Hand. Sie enthält Beispiele für die Stile von 13 Klarinettisten, die sich überwiegend der Swing-Ära zuordnen lassen bzw. auch in der Swing-Zeit eine Rolle spielten:
Barney Bigard, Hank d` Amico, Buddy de Franco, Irving Fazola, Benny Goodman, Edmond Hall, Woody Herman, Joe Marsala, Matty Matlock, Eddie Miller, Jimmie Noone, Pee Wee Russell und Artie Shaw.

Mancher Name ist heute nicht mehr jedem Jazzfreund unbedingt geläufig. Wenn man sich aber mit diesen Musikern näher beschäftigt, wird deutlich, dass es in der Swing-Ära neben Goodman und Shaw eine ganze Reihe ebenfalls beachtlicher Klarinettisten gab, deren Musik auch heute noch hörenswert ist. In etlichen Fällen waren sie Grenzgänger zwischen Swing und seinen Vorläufern.(Natürlich ließen sich zu den genannten Namen noch weitere hinzufügen).

Einer dieser Klarinettisten war Irving Fazola, genannt Faz, geboren als Irving Henry Prestopnik am 10. Dezember 1912 in New Orleans. Der Name "Fazola" soll von der italienischen Tonleiter "Fa-So-La" usw. herrühren. Auf "YouTube" oder auf den diversen Musikplattformen kann man sich leicht ein Bild von Stil und Technik Fazolas machen. Nur zu empfehlen.

Ich will jetzt nicht alle Stationen im künstlerischen Schaffen von Irving Fazola aufzählen. Nur soviel:
sein fließender, eleganter Stil ist gut zu hören und vermittelt eine Fülle von Anregungen auch für heutige Musiker. Natürlich ist dem Spiel Fazolas anzumerken, dass er durch die Schule der Big-Bands in der Swing-Ära gegangen ist. Fazola spielte auch bei Glenn Miller und Bob Crosby. Manchem mag der Stil deshalb zu wenig geerdet - oder andersherum: zu glatt - sein. Ich fühle mich  durch die virtuose Geläufigkeit, die nach meinem Eindruck aber kein Selbstzweck ist, vollauf entschädigt. 1940 und 1941 überflügelte Fazola in den Down Beat Polls sogar Goodman und Shaw.
Als exzellenter Techniker mit swinggeglättetem New-Orleans-Feeling waren natürlich die kleinen Formationen, die Bands in der Band der Swing-Ära,für ihn genau der passende Rahmen, also etwa die "Bob Cats" des Bob-Crosby-Orchesters.

Leider blieb sein stilistischer Einfluss begrenzt. Fazola starb schon 1949. Viel von seinem Stil findet sich aber nach meiner Einschätzung bei Pete Fountain wieder, der leider ja ebenfalls vor einiger Zeit gestorben ist. In meiner Notenausgabe ist Fazola übrigens mit dem "Clarinet Blues" vertreten, einer Nummer, die seine stilistischen Eigentümlichkeiten prägnant zum Ausdruck bringt........

www.ok-jazzband.de

Soviel für heute.
Herzlich Euer
Heribert von Stomp




Montag, 6. November 2017

OK-JAZZBAND: Cannon Ball Blues

Hallo Freunde,

dieser Tage habe ich mir mal wieder den "Cannon Ball Blues" zu Gemüte geführt, die berühmte Aufnahme von Jelly Roll Morton`s  Red Hot Peppers vom 16. Dezember 1926. Für mich gehört diese Einspielung zu den stimmigsten Aufnahmen Jelly`s. Dabei meine ich das Wort "stimmig" in einem doppelten Sinn: das Werk ist in sich von hoher Geschlossenheit und es spricht mich mit sehr viel Gefühl an. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil für Morton - so sehe ich es jedenfalls - der Blues doch eher eine formale Kategorie war.

Auch in anderer Hinsicht fällt der "Cannon Ball Blues" aus dem Rahmen der elf klassischen Einspielungen von September bis Dezember 1926. Es ist das einzige Stück - soweit ich sehe -, von dem keine Orchestration herausgegeben wurde. Das ist deshalb bemerkenswert, weil es ja das Geschäftsmodell der Melrose-Brothers war - der Verleger, die die Red-Hot-Peppers-Sessions initiiert hatten -, über die Plattenaufnahmen den Absatz von Piano-Versionen, vor allem aber gedruckter Arrangements zu forcieren. Vom Cannon Ball Blues existiert aber nur eine gedruckte Piano-Version.
Vielleicht schaffte es die Nummer ja ins Aufnahmestudio, weil einer der Autoren Marty Bloom, der stille Teilhaber der Melrose-Brothers, war, der übrigens auch für die diversen Vaudeville-Effekte der anderen Red-Hot-Peppers-Aufnahmen zuständig und wohl der Producer bei den Sessions war. Damit sind wir bei einer weiteren Besonderheit: der "Cannon Ball Blues" ist der einzige Red-Hot-Peppers-Titel von 1926, der neben Morton einen Co-Komponisten nennt. (Fünf Titel stammten ja bekanntlich nicht aus Jelly`s Feder). Auf der Piano-Sheet-Version sind drei Autoren genannt: Charlie Rider, Marty Bloom und Morton. Rider wird im Archiv der Plattengesellschaft Victor als "Songwriter" geführt. Demnach teilen sich Bloom und Morton die Urheberschaft als Komponisten.

Ein Text des "Cannon Ball Blues" ist mir allerdings nicht bekannt. Die Piano-Version enthält keine Verse. Auch die Aufnahme ist ja bekanntlich rein instrumental. Vielleicht erklärt sich aber aus dem - nicht verfügbaren - Text der Titel des Stücks. Denn die Überschrift "Kanonenkugel-Blues" will nicht so recht zu dem stimmungsvollen Stück passen. Es sei denn, man interpretiert die im ersten Chorus (Eb-Dur) gespielten Kornett-Phrasen als abgefeuerte Kugeln oder die auf- und absteigenden zweitaktigen Phrasen im zweiten (Ab-Dur) Bluesteil. Dies schiene mir aber etwas weit hergeholt.Soweit einige formale Informationen. Hinzugefügt sei noch, dass der "Cannon Ball Blues" laut Victor-Archiv im Mai 1927 gemeinsam mit einer weiteren großartigen Aufnahme Morton`s, nämlich "Grandpa`s Spells", veröffentlicht wurde.

Dies soll für heute genügen. Eine Analyse der Aufnahme will ich in nächster Zeit an dieser Stelle vorlegen. Bis dahin eine gute Zeit........

Soviel für heute.
Herzlich Euer
Heribert von Stomp