Samstag, 21. Januar 2012

Grandpa`s Spells

Hallo Freunde,

in meinem Beitrag am 30. Dezember 2011 hatte ich einige Bermerkungen zum Thema "Tempoangaben" gemacht. Auslöser war die Bezeichnung "Tempo Di Weary" über dem von Mel Stitzel geschriebenen Arrangement des "Dead Man Blues" von Jelly Roll Morton. Ich hatte geschrieben, dass Tempobestimmungen, die durch eine Emotion ausgedrückt sind, eher zu den Ausnahmen gezählt werden müssen. Solche Ausnahmen gibt es natürlich auch bei schnellen Tempoangaben. So finde ich etwa über der Morton-Komposition "Grandpa`s Spells", abgedruckt im Band 2 der Ausgabe "14 Dixieland Instrumentals" des Melrose-Musikverlages (1954) die Vorgabe "Lively" (S.11). Diese Angabe stammt mit Sicherheit nicht von Morton selbst, sondern vom Herausgeber des Bandes. Schaut man einmal in einem Wörterbuch nach (z.B. leo), finden sich folgende Übersetzungen: kregel, lebendig, lebhaft, munter, peppig, quirlig, spritzig. Klar also, dass das Stück schnell oder sehr schnell gespielt werden soll, auch wenn es nicht ausdrücklich gesagt ist. Eine andere Übersetzungmöglichkeit kommt der konkreten Tempobestimmung etwas näher: flott. Bekanntlich hat das Wort in der deutschen Umgangssprache eine mehrfache Bedeutung: "schnell" ("das ging aber flott...") und "ungewöhnlich" im Sinn von "auffallend", "aus dem Durchschnitt herausstechend" ("ein flotter Typ"). Flott hat auch die Bedeutung "leicht". "Mit leichter Hand geschrieben" etwa meint: der Text ist eingängig geschrieben und zügig zu lesen. Dabei schwingt jeweils untergründig ein Zweifel mit: Wenn etwas "flott ging" meint dies, eigentlich hatte man damit nicht gerechnet, dass der Vorgang so schnell abgeschlossen wurde. Der Zweifel: wurde auch wirklich gründlich gearbeitet? "Flotter Typ" ist indirekt mit der Frage verbunden, ob er auch wirklich seriös oder doch eher ein Luftikus ist. Diese Frage nach der Substanz keimt auch bei "flott geschrieben auf". Selbst wenn ich also "lively" mit "flott" übersetze, ist dies alles andere als eine präzise Tempoangabe......
Jelly Roll Morton wusste also, weshalb er auf solch eine Bestimmung verzichtete. Auch Arrangeur Elmer Schoebel hat in seinem "Special Jazz Arrangement" von 1925 keine Tempovorgabe gemacht. Damals hatte Jelly Roll den Titel bereits zweimal aufgenommen, nämlich am 18. Juli 1923 als Piano-Solo (Gennett 5218) und 1924 als Piano-Roll (Vocalstyle 50487). Und danach konnte kein Zweifel mehr bestehen, in welchem Tempo das Stück zu spielen war....

www.ok-jazzband.de - CD "Tribute to Jelly Roll Morton" (iTunes, amazon, spotify)

Soviel für heute.
Herzlich Euer
Heribert von Stomp

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