Freitag, 30. Dezember 2011

Tempo Di Weary

Hallo Freunde,

heute also ist Johannes Heesters beigesetzt worden. 108 Jahre wurde er alt. Das nennt man ein gesegnetes Alter. Ich hatte ja in meinem vegangenen Beitrag geschrieben, dass die OK-JAZZBAND in Gedanken bei der Trauerfeierlichkeit ist. So war es denn wohl kein Zufall, dass mein Augenmerk heute auf den "Dead Man Blues" von Jelly Roll Morton fiel. Ich nahm den Klavierpart des Arrangements von Mel Stitzel in die Hand. Als Tempo wird dort angegeben: "Tempo Di Weary". Das ist ungewöhnlich. Denn üblicherweise werden Tempi als Geschwindigkeit ausgedrückt und nicht als Gefühl. Meist heißt es somit "fast" oder "slow" oder auch "Moderato". Manchmal wird das Tempo auch indirekt bezeichnet. Über der Ragtime-Komposition "The Easy Winners" von Scott Joplin etwa steht: "not fast". Ein Gefühl als Tempoangabe aber ist, wie schon gesagt, die Ausnahme. Klar, dass beim "Dead Man Blues" die Vorgabe "Tempo Di Weary" nichts anderes meint als "langsam", wenn nicht sogar "sehr langsam". Das brachte micht auf den Gedanken, einmal nachzusehen, welches Tempo Artie Matthews für seinen berühmten "Weary Blues" bestimmt hat. Folgerichtig heißt es dort: "very slow". Jetzt aber einmal Hand aufs Herz: kennt irgendjemand eine Version des "Weary Blues" in diesem Tempo? Das Stück wird in aller Regel schnell, oft auch sehr schnell gespielt. Was zeigt: egal, wie das Tempo vom Komponisten oder Arrangeur angegeben wird, als Geschwindigkeit oder als Gefühlsausdruck: am Ende bestimmen immer die ausführenden Musiker, ob sie sich daran halten oder nicht.
 

Soviel für heute.
Herzlich Euer
Heribert von Stomp
www.ok-jazzband.de - CD "Tribute to Jelly Roll Morton" (iTunes, spotify, amazon)

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