Montag, 7. Juni 2010

Dr.JazzandHoneyBabe

Hallo Jazzfreunde,

von Jelly Roll Morton ist aus den 20er Jahren - leider - nur ein von ihm gesungener Titel bekannt. Es ist sein berühmter Chorus aus "Dr. Jazz". Kritiker merken heutzutage an, dass von "gesungen" eigentlich nicht die Rede sein kann. Treffender wäre hier in der Tat der Ausdruck "geshouted". Jelly "ruft" den Text, so als wäre er der Meinung, andernfalls könne ihn die Telefonzentrale irgendwo im nirgendwo gar nicht hören. Schließlich war das Telefon noch ein relativ junges Medium, und es war keineswegs selbstverständlich, mal eben eine Verbindung rund um den Erdball herzustellen. Insofern ist sein Vortrag wirklich adäquat.
Für mich ist "Dr. Jazz" eine der faszinierendsten Aufnahmen dieser Zeit überhaupt, ein Meisterwerk, in dem Jelly`s Vocal integrativer, sorgfältig kalkulierter Bestandteil ist. Bekanntlich nahmen die "Red Hot Peppers", Jelly Roll Mortons`s Studio-Band, den Titel am 16. Dezember 1926 auf. Ich vermute, dass Morton in den 20ern mindestens zwei weitere Gesangsnummern eingespielt hat. In New York setzte er ab 1928 seine Aufnahmetätigkeit mit den "Red Hot Peppers" - in anderen Besetzungen - fort. Am 11. Juni entstanden die Einspielungen "Georgia Swing", "Kansas City Stomp", "Shoe Shiner`s Drag", "Boogaboo", "Shreveport Stomp" und "Mournful Serenade". Zwei weitere Titel dieser Session blieben unveröffentlicht: "Honey Babe" und "Sidewalk Blues". Sie gelten heute als unauffindbar. Beide Werke sind mit Text versehen. Für den "Sidewalk Blues" schrieb Walter Melrose, der auch "Dr. Jazz" textete, die Worte. Für "Honey Babe" - einen volkstümlichen Blues - verfaßte Morton selbst die Lyrics. Der Song wurde im Verlag der Melrose Brothers publiziert. Wenn nun genau diese beiden Titel der Aufnahmesitzung unter Verschluß blieben, läßt dies jedenfalls die Vermutung zu, dass die Record-Company (Victor) mit dem Gesang - und ich gehe davon aus, dass die Nummern gesungen wurden - unzufrieden war. Auf der anderen Seite hatte Morton mit seinem "geshouteten" Gesang in "Dr. Jazz" einen veritablen Hit gelandet. Weshalb also jetzt die Vorbehalte? Bleiben -neben anderen - zwei naheliegende Erklärungen: entweder waren die Aufnahmen qualitativ (aufnahmetechnisch) nicht zufriedenstellend, oder aber der Text fand bei den Verantwortlichen keinen Gefallen. Wie auch immer: wirklich schade, dass es für den Sänger Jelly Roll Morton aus den 20er Jahren so gut wie keine Belege gibt. Übrigens: die OK-JAZZBAND hat sich fest vorgenommen, den verschollenen Titel "Honey Babe" zu neuem Leben zu erwecken...

Soviel für heute.
Herzlich Euer
Heribert von Stomp

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