Freitag, 25. September 2015

100 Jahre "Jelly Roll Blues"

Hallo Freunde,

über den "Jelly Roll Blues" habe ich in diesem Blog schon mehrfach geschrieben, zum Beispiel unter dem Datum vom 25. Februar 2012. Das Stück ist allein deshalb bedeutsam, weil es nach allgemeiner Ansicht als der erste veröffentlichte durchkomponierte Jazztitel gilt. Und diese Ehre gebührt natürlich dem Urheber Jelly Roll Morton. Reich und Gaines würdigen in ihrem Buch "Jelly`s Blues" das Werk so: "It was thus the first bona fide jazz composition available in score, a precious document that forever more could be transmitted to musicians and audiences around the world". (S.45).
Während James Dapogny das Copyright auf den 15. September 2015 datiert, war es meiner Meinung nach der 22. September desselben Jahres. Wie auch immer: mit September 2015 liegt man jedenfalls richtig. Der "Jelly Roll Blues" besteht aus zwei Teilen: der erste, in Bb-Dur ist komplett durchkomponiert und gewinnt seinen Reiz durch eine Reihe von ebenfalls notierten Breaks. Der zweite Teil, in Eb-Dur, fällt zunächst durch den spanischen Rhythmus (spanish tinge) auf. In der gedruckten, im Verlag von Will Rossiter erschienen Version hat dieser zweite Teil nur einen, zu wiederholenden Chorus. Möglicherweise wollte der Verleger die Veröffentlichung auf drei Blatt beschränken. Man darf aber davon ausgehen, dass Morton schon damals auf dem Schema des Eb-Dur-Chorus eine Reihe von Improvisationen - oder besser: Variationen - aufgebaut hat, so wie das dann auch in der berühmten Version seiner "Red Hot Peppers" vom 16.12.1926 der Fall war. Ich spreche von Variationen, weil auch die jeweils 6-taktigen Solopassagen in der ersten Hälfte der Chorusse notiert waren.
Die Aufnahme mit den "Red Hot Peppers" ist meiner Ansicht nach die beste Orchesterfassung. Zwar haben auch viele andere Bands den Titel aufgenommen, zum Beispiel die von Bunny Berigan oder die von Kid Ory. Jelly hält sich aber hier exakt an die 1:1 von der Pianoversion aufs Orchester übertragene Fassung. Die innere Geschlossenheit und Logik des Stücks wird auf diese Weise eindrucksvoll präsent. Die meisten anderen Bands sind auf die ein oder andere Weise vom Originalarrangement abgewichen und haben dem Stück damit seine Einzigartigkeit genommen.
Jelly`s Einspielung ist nicht so dynamisch-spritzig wie viele seiner anderen Aufnahmen in schnelleren Tempi. Sie ist auch nicht so stimmungsvoll-versunken wie einige seiner besten langsamen Titel. Sie liegt sowohl vom Tempo als auch von der Expression irgendwo in der Mitte. Das hat seine Ursache sicher auch darin, dass seine hervorragenden Sidemen in diesem Fall kaum Gelegenheit hatten, sich zu entfalten. Die Breaks waren ebenso wie die kurzen Solopassagen genau fixiert. Darüber hinaus waren die kurzen Soli nicht als fließende Linien komponiert, sondern eher als Akkordauflösungen. Eine Ausnahme bildet hier das Kornett-Solo vor der abschließenden Kollektivimprovisation. Trotzdem gelingt es der Band, dem Arrangement Leben einzuhauchen und eine der Pianokomposition kongeniale Version zu produzieren. Es lohnt sich also in jedem Fall, den "Jelly Roll Blues" in der "Red-Hot-Peppers"-Fassung zu hören.
Noch ein abschließendes Wort: vielleicht ist mir ja etwas durchgegangen. Aber eigentlich hätte ich gedacht, dass dieser 100. Jahrestag der ersten veröffentlichten, durchkomponierten Jazzkomposition etwas mehr an Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte. Bis zum 200. Jahrestag sollten wir jedenfalls mit der Referenz an das Stück nicht warten........

www.ok-jazzband.de

Soviel für heute.
Herzlich Euer
Heribert von Stomp

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen