Montag, 27. Februar 2017

KD-Riverboatshuffle 1996

Hallo Freunde,

das waren noch Zeiten, als es in den Sommermonaten regelmäßig Riverboat-Shuffles mit Oldtime-Jazz auf den grossen Flüssen gab. Natürlich gibt es diese Tradition auch heute noch. Aber nach meinem Eindruck hat die Zahl solcher Events doch stark nachgelassen.

Dieser Tage fiel mir ein alter Flyer in die Hand, mit dem die KD, die Köln-Düsseldorfer, auf ihre Riverboat-Shuffles aufmerksam machte. Der Handzettel stammt allerdings aus dem Jahr 1996. Lang, lang ist`s her. An vier Freitagen waren jedesmal drei Bands auf verschiedenen Decks unterwegs. Der Flyer vermerkt dazu: "An Bord eines komfortablen KD-Schiffs geht`s hoch her! Bekannte Kapellen spielen für Sie zu einer zünftigen Riverboat Shuffle auf. Shufflen Sie mit! Es gibt Kölsch vom Faß".

Ich habe einmal die Termine mit den Bands von damals aufgeschrieben. Der ein oder andere mag sich vielleicht daran erinnern:

Freitag, 21. Juni 1996: Happy Wanderers, Projeto Bossa Nova, Jazz Preachers.
Freitag: 26. Juli 1996: Sascha Klaar und Band Rockets, Cologne Jazz Society, Jazz Gang Cologne
Freitag, 16. August 1996: Rod Mason`s Hot Five, Cologne Jazz Society, Jazz Collegium Coeln
Freitag, 06. September 1996: Happy Wanderers, Jazzport, Rod Mason`s Hot Five

Abfahrt war übrigens 20.00 Uhr ab Köln Rheingarten. Rückkunft 23.00 Uhr. Der Fahrpreis betrug 29.- Deutsche Mark. Da kann man aus heutiger Sicht nichts gegen sagen.

Natürlich gibt es, wie oben schon gesagt, auch heute noch Riverboat-Shuffles, die in der Tradition des Oldtime-Jazz stehen. Vor dem inneren Auge ziehen dann die Schaufelraddampfer auf dem Mississippi vorbei. Aber schon in den 90er Jahren war das Programm, siehe oben, nicht mehr ausschließlich auf den Trad-Jazz fokussiert. Aber immerhin waren damals die Shuffles noch eine Konstante im Vergnügungsangebot auf den Flüssen. Ob das in dieser Form jemals wiederkehrt? Alles hat eben seine Zeit. Aber ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass die Riverboat-Shuffles eine Renaissance erleben. Man muss nur eine zeitgemäße Form dafür finden. Handgemachte Musik jedenfalls findet wieder verstärkt ihr Publikum.........

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Soviel für heute.
Herzlich Euer
Heribert von Stomp

Freitag, 17. Februar 2017

Mobile Blues

Hallo Freunde,

ich frage mich ja manchmal, weshalb es bestimmte Titel zu Jazzstandards gebracht haben und umgekehrt andere wiederum nicht. Ich glaube, dass ein Kriterium nicht unterschätzt werden darf: es kommt häufig darauf an, welcher Musiker oder welche Band ein Stück im Repertoire hatte und es - im positiven Fall - schon dadurch adelte. So manche von Joe Oliver oder Louis Armstrong aufgenommene Stücke sind in ihrer Struktur und Melodieführung nicht unbedingt Solitäre. Weil beide Musiker aber in den 20er Jahren mit ihren Einspielungen stilprägend für die weitere Entwicklung des Oldtime-Jazz waren, wurden diese Titel entsprechend tradiert und erfreuten sich großer Beliebtheit bei den nachfolgenden Generationen. Kompositionen, die von Musikern oder Bands aus der zweiten Reihe aufgenommen wurden, blieben dagegen häufig auf der Schattenseite.

Ich denke da etwa an den "Mobile Blues". Als Copyright-Jahre werden 1923 bzw. 1924 angegeben.
Der "Mobile Blues" ist eine, wie ich finde, hübsche, wenn auch - zugegeben - nicht eben geniale Nummer. Aber zur Originalität als Kriterium für die Chance, Jazzstandard zu werden - siehe oben.
Der "Mobile Blues" hat eine für die Zeit häufig anzutreffende Zwitterstruktur. Er beginnt mit einem zwölftaktigen Bluesteil von zwei Strophen. Der Text hat - ebenfalls nicht ungewöhnlich - nicht die bluestypische A-A-B-Struktur, sondern eine A-B-C-Form. Dann folgt ein 32-taktiger sehr einfacher, um nicht zu sagen schlicht wirkender Chorus in A-A-B-A-Struktur. Mit seinen meist halben oder ganzen Noten eignet er sich aber gut als Trompeten-Lead-Stimme oder für die Übernahme als Posaunen-Solo. Den dritten Part schließlich bildet ein zweimal 8-taktiger Zwischenteil, bestehend aus einem 4-taktigen riffartigen und entsprechend satzartig angelegtem Element, das in einen weiteren 4-taktigen Teil übergeht, der zu kollektiver Improvisation anregt. Dieses Intermezzo erzeugt die nach der getragenen Melodieführung des vorausgegangenen Chorus notwendige dynamische Spannung.

Als Autoren des "Mobile Blues" werden Fred Rose und Albert E. Short genannt. Fred Rose, geboren 1897 oder 1898 in Indiana, lebte einige Jahre in Chicago, arbeitete dort als Sänger und spielte Piano-Rollen ein. Oldtimefans ist er als Co-Autor des Titels "Deed I Do" bekannt. Seine Berührung mit dem Jazz blieb aber temporär. Später wurde er vor allem als Country-Songwriter berühmt.

Über Albert E. Short ist in Bezug auf den klassischen Jazz fast nichts bekannt. Der Geiger leitete die "Tivoli Syncopators", das Hausorchester des Tivoli-Filmtheaters in Chicago. Ein Foto aus dieser Zeit zeigt eine veritable 14-Mann-Band, der aber offenbar keine ausgewiesenen Jazzmusiker angehörten. Das Tivoli befand sich an der Cottage Grove Avenue und war nicht irgendein Theater. 1921 erbaut, war es mit 4500 Plätzen der größte Unterhaltungspalast in Chicago, eine Attraktion der Zeit. Im Februar 1923 platzierten die Melrose-Brothers ihr Musikgeschäft einschließlich Verlag gegenüber dem Tivoli. In das Programm ihres Musikverlages nahmen sie auch den "Mobile Blues" auf.

Hier verknüpfen sich die Fäden. Die Melrose-Brothers Walter und Lester wollten ihre Titel populär machen. Das Tivoli mit Band und viel Publikum war dafür eine ideale Plattform. Sie erreichten es, dass Albert E. Short im März mit seinem Orchester den "Wolverine Blues" und im Mai den "Sobbin` Blues" aufnahm, zwei der drei ersten großen Hits des Verlags (der dritte Hit war der "Tin Roof Blues"). Vielleicht als Gegenleistung und/oder auch in der Hoffnung, einen weiteren guten Deal über das Tivoli landen zu können, kam der "Mobile Blues" in den Katalog.

Aber die Dinge entwickelten sich anders. Jedenfalls ist mir keine Aufnahme des "Mobile Blues" durch Albert E. Short bekannt. Stilprägende Musiker der Jazzszene konnten sich auch nicht für den Titel erwärmen. Und so blieb nur die zweite Reihe. Eine Klavierausgabe des "Mobile Blues" nennt vier Bands bzw. Musiker, die den Titel damals einspielten: die "Bucktown Five", die "Original Memphis Five", "Jimmie Wade`s Moulin Rouge Orchestra" und den Klarinettisten Boyd Senter - alle nicht unwichtig für die Geschichte des frühen Jazz, aber eben nicht die erste Garnitur.

Ich überlege, was aus dem "Mobile Blues" wohl hätte werden können, wenn "King" Oliver, Louis Armstrong oder Jelly Roll Morton sich seiner angenommen hätten. Aber das bleibt Spekulation.....

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Soviel für heute.
Herzlich Euer
Heribert von Stomp




Sonntag, 12. Februar 2017

Lawrence Duhé

Hallo Freunde,

Louis Armstrong weist in seinen Erinnerungen "Mein Leben in New Orleans" auf eine ganze Reihe von Klarinettisten hin, die er sehr schätzte. (Ich beziehe mich auf die 1977 im Diogenes Verlag erschienene deutschsprachige Ausgabe, S. 233f.). Er nennt dort Klarinettisten, die jedem Oldtimefreund sofort ein Begriff sind wie Johnny Dodds, Jimmie Noone, Sidney Bechet, Albert Nicholas und Barney Bigard. Er erwähnt aber auch Holzbläser, die im Schatten der Jazzgeschichte stehen, Armstrong`s Meinung nach aber ebenfalls zu den besten Musikern ihres Instruments gehörten.

Dies zeigt mir einmal mehr, dass es für den Nachruhm nicht nur wichtig war, ein Meister seines Fachs zu sein, sondern auch, an Plattensessions beteiligt gewesen zu sein. Ein Beispiel, das Louis nennt: Lawrence Duhé: "Er war ganz ausgezeichnet, hat sich aber schon lange nach Lafayette in Louisiana zurückgezogen, wo er nur noch ab und zu spielt. Er hat lange Zeit mit dem einzigartigen Bunk Johnson zusammengearbeitet" (S.234). Duhé wurde am 30. April 1887 in Laplace, Louisiana, geboren und starb 1960 in Lafayette. 1913 ging Lawrence mit Kid Ory nach New Orleans, spielte dort auch mit Joe Oliver und Frankie Dusen, leitete eine eigene Band in Storyville. 1917 - 1923 war er in Chicago als Bandleader aktiv. 1923 dann die Rückkehr nach New Orleans und dort Zusammenarbeit mit der Band des Trompeters Evan Thomas sowie dem Posaunisten Gus Fortinet, in dessen Band auch Bunk Johnson mitwirkte, bis 1932. Danach tourte er mit einer Minstrel-Show, spielte bis 1945 mit dem Trompeter Frank Brown in Lafayette und zog sich dann aus dem Musikgeschäft zurück. Das "Dictionary of Jazz" konstatiert: "Despite his prominence in the history of early jazz Duhé is not known to have made any recordings that were issued commercially" (S.316).

Duhé schrammte also sozusagen am Nachruhm vorbei. Joe Oliver spielte 1923 seine berühmten Aufnahmen ein, an denen auch Louis Armstrong mitwirkte. Im selben Jahr begründeten auch andere in Chicago ansässige Gruppen und Musiker ihren Nachruhm mit Plattenaufnahmen: die "New Orleans Rhythm Kings" etwa oder Jelly Roll Morton, der damals von der Westküste in die "Windy City" übergesiedelt war. Und in den Jahren danach folgte bekanntlich eine Fülle historischer Jazzaufnahmen. Wäre Duhé also länger geblieben, wäre er wohl auch bei einigen Sessions dabei gewesen. Darauf lässt jedenfalls die Wertschätzung durch Louis Armstrong schließen. New Orleans aber stand, obwohl Geburtsstadt des Jazz, nicht im Fokus der Schallplattenindustrie.

Eine zweite Chance hätte sich für Duhé in den 40er Jahren ergeben. Damals nahmen ja zum Beispiel Musiker wie Bunk Johnson und GeorgeLewis auf und traten - spät zwar, aber nicht zu spät - ins Bewusstsein der weltweiten Oldtimefangemeinde. Aber Duhé zog es, aus welchen Gründen auch immer, vor, in der Zurückgezogenheit von Lafayette zu leben. So bleiben uns nur die mündlichen Erinnerungen von Louis Armstrong und anderen an einen offenbar hervorragenden Musiker, der aber trotzdem heute mehr oder weniger vergessen ist........

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Herzlich Euer
Heribert von Stomp