Sonntag, 4. Oktober 2015

"Jelly Roll Blues" and "Darktown Strutter`s Ball"

Hallo Freunde,

hier noch eine Ergänzung zu meinen Ausführungen über den "Jelly Roll Blues", dessen Veröffentlichung als Druck ja jetzt 100 Jahre zurück liegt. Der ein oder andere Jazzautor weist darauf hin, dass der Titel des Werks in einen frühen Hit des Jazzgenres Eingang gefunden hat. Die Rede ist vom "Darktown Strutter`s Ball", der 1917 das Licht der Welt erblickte und heute noch bei vielen Bands beliebt ist. Autor ist Shelton Brooks, der eine ganze Reihe erfolgreicher Titel schrieb. Im Text heißt es: "Dance off both my shoes, wenn they play the `Jelly Roll Blues` tomorrow night at the Darktown Strutter`s Ball".
Mancher Kommentator erblickt darin einen Beweis für die große Popularität, die der "Jelly Roll Blues" damals erlangt hatte. James Dapogny etwa schreibt: "It achieved enough popularity to be mentioned in the lyrics of Shelton Brook`s 1918 (!) popular song Darktown Strutter`s Ball" (zit. n. Ferdinand `Jelly Roll` Morton - The Collected Piano Music, S. 293). Diese Schlußfolgerung ist, wie gesagt, durchaus nachvollziehbar. Allerdings steht Dapogny`s Ausführung in Widerspruch zur Analyse von David A. Jasen und Gene Jones, ebenfalls ausgewiesene Experten für den frühen Jazz: "The rarity of the 1915 edition (des "Jelly Roll Blues", d.Vfs.), indicates that not many copies were printed or distributed. The piece was not recorded until the Original Memphis Five`s version in September 1923......`Jelly Roll Blues` did not make its composer rich or famous...." (zit.n. Black Bottom Stomp, New York 2002, S. 144f.).
Wer nun ist im Recht? Ich schlage eine ganz einfache - und mit Verlaub: neue - Sichtweise vor. Es handelt sich bei der besagten Textzeile nicht unbedingt um einen Verweis auf die Popularität von Jelly`s Blues, sondern um einen Fall von geschickter cross-promotion. Beide Titel, "Jelly Roll Blues" und "Darktown Strutter`s Ball", wurden im Chicagoer Verlag von Will Rossiter veröffentlicht. Beide gehörten dem entstehenden Jazz-Genre an, dessen Titel-Korpus sich ebenfalls gerade erst entwickelte. Was lag da näher, als im Text des "Darktown Strutter`s Ball" einen Querverweis auf den "Jelly Roll Blues" unterzubringen und so den Verkauf des früheren Titels anzukurbeln? Da hätte dann der Verleger seine lenkende Hand im Spiel gehabt. Um meine These zu unterfüttern, gebe ich gern ein weiteres Beispiel für cross-promotion: 1918 erschien im besagten Verlag von Will Rossiter der Titel "That Alabama Jazbo Band". Autor war Benton Overstreet, dessen Titel "There `ll Be Some Changes Made" ein Standard wurde. Im Versteil findet sich folgende Zeile: "In Alabama Land, They have a Jazbo Band that play the `Weary Blues` Till you dance `way your shoes". Der "Weary Blues" von Art Matthews - bis heute ein beliebter Standard - war 1915 publiziert worden, ebenfalls im Verlag von Will Rossiter. Aus meiner Sicht keine zufällige Verknüpfung, sondern ein weiterer Beleg für cross-promotion. (Wie gut natürlich auch, dass sich "Blues" auf "Shoes" reimt. Das begegnet uns ja auch im Text von "Dr. Jazz").
Ich meine: der Verleger Will Rossiter hatte die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannt und wollte jetzt seinen finanziellen Anteil am aufkommenden Jazz-Hype. Da konnte Eigenwerbung in keinem Fall schaden. Mit jeder verkauften Platte, sofern die Titel mit Gesang aufgenommen waren, und mit jedem Sheet-Musik-Exemplar von "Darktown Strutter`s Ball" und "That Alabama Jazzbo Band"  wurden zugleich "Jelly Roll Blues" und "Weary Blues" weiter bekannt gemacht. Keine schlechte Idee..........

www.ok-jazzband.de
CD: "Tribute to Jelly Roll Morton" (iTunes, amazon).

Soviel für heute.
Herzlich Euer
Heribert von Stomp

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